Gesetz zur Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten (Wertpapierinstitutsgesetz – WpIG)
Abschnitt 1 Grundlagen der Solvenzaufsicht
§ 38 WpIG – Anwendungsbereich
(1) Abschnitt 1 dieses Kapitels findet mit Ausnahme der §§ 38, 40, 41 Nummer 1 bis 3, von § 43 Absatz 1, § 45 Absatz 1 Satz 1, 2 und 3 Nummer 1 und 4 auf Kleine Wertpapierinstitute keine Anwendung.
(2) War ein Kleines Wertpapierinstitut zuvor als Mittleres Wertpapierinstitut eingestuft, kommen die ausschließlich für Mittlere Wertpapierinstitute geltenden Anforderungen dieses Abschnitts nicht mehr zur Anwendung, sobald das Wertpapierinstitut ununterbrochen über einen Zeitraum von sechs Monaten die Bedingungen des Artikels 12 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/2033 erfüllt und die Bundesanstalt sowie die Deutsche Bundesbank entsprechend in Kenntnis gesetzt hat.
(3) Ist ein Wertpapierinstitut nicht mehr als Kleines Wertpapierinstitut, sondern als Mittleres Wertpapierinstitut einzustufen, teilt es dies der Bundesanstalt mit. Es hat die ausschließlich für Mittlere Wertpapierinstitute geltenden Anforderungen dieses Abschnitts spätestens zwölf Monate nach dem Zeitpunkt einzuhalten, in dem es als Mittleres Wertpapierinstitut einzustufen war.
(4) Ein Mittleres Wertpapierinstitut wendet die Vorgaben des § 46 zur Vergütung, die für geleistete Dienste oder für Erfolg gewährt wird, in dem Geschäftsjahr an, das dem Geschäftsjahr folgt, in dem es als Mittleres Wertpapierinstitut einzustufen war.
(5) In den Fällen, in denen dieser Abschnitt gilt und Artikel 8 der Verordnung (EU) 2019/2033 angewandt wird, finden die Vorschriften dieses Abschnitts auf Einzelebene Anwendung.
(6) In den Fällen, in denen dieser Abschnitt gilt und Artikel 7 der Verordnung (EU) 2019/2033 angewandt wird, sind die Vorschriften dieses Abschnitts sowohl auf Einzelbasis als auch auf konsolidierter Basis anzuwenden. Abweichend von Satz 1 findet dieser Abschnitt keine Anwendung auf Tochterunternehmen, die in die aufsichtlich konsolidierte Lage im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 12 der Verordnung (EU) 2019/2033 einbezogen sind und ihren Sitz in Drittstaaten haben, sofern das Mutterunternehmen in der Europäischen Union den zuständigen Stellen nachweisen kann, dass die Anwendung dieses Abschnitts nach den gesetzlichen Bestimmungen des Drittstaates, in dem diese Tochterunternehmen ihren Sitz haben, rechtswidrig wäre.
(7) Die aufsichtliche Konsolidierung einer Wertpapierinstitutsgruppe richtet sich nach den Artikeln 7 und 8 der Verordnung (EU) 2019/2033. Dies gilt auch, wenn ein oder mehrere Finanzdienstleistungsinstitute oder Kreditinstitute, die nicht CRR-Kreditinstitute im Sinne des § 1 Absatz 3d Satz 1 des Kreditwesengesetzes sind, Teil der Wertpapierinstitutsgruppe sind.
§ 39 WpIG – Internes Kapital und liquide Mittel
(1) Mittlere Wertpapierinstitute müssen laufend ihre Risikotragfähigkeit sicherstellen. Dies umfasst Verfahren zur Ermittlung und Sicherstellung der Risikotragfähigkeit, wobei eine vorsichtige Ermittlung der Risiken und des zu ihrer Abdeckung verfügbaren Risikodeckungspotenzials zugrunde zu legen ist. Mittlere Wertpapierinstitute müssen darüber hinaus durch entsprechende Verfahren sicherstellen, dass sie ihre Mittel so anlegen, dass jederzeit eine ausreichende Zahlungsbereitschaft (Liquidität) gewährleistet ist.
(2) Die in Absatz 1 genannten Regelungen, Strategien und Verfahren müssen mit Blick auf die Art, den Umfang und die Komplexität der Geschäfte des Wertpapierinstituts angemessen und verhältnismäßig sein. Sie sind von dem Wertpapierinstitut regelmäßig intern zu überprüfen.
(3) In dem Umfang, in dem die Bundesanstalt es als angemessen einstuft, kann sie von Kleinen Wertpapierinstituten verlangen, dass diese die Anforderungen der Absätze 1 und 2 einhalten.
§ 40 WpIG – Auslagerung von Aktivitäten und Prozessen; Verordnungsermächtigung
(1) Ein Wertpapierinstitut muss abhängig von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt einer Auslagerung von ausschlaggebenden und wichtigen betrieblichen Aufgaben im Sinne des Artikels 30 Absatz 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 (wesentliche Auslagerung) angemessene Vorkehrungen treffen, um übermäßige zusätzliche Risiken zu vermeiden. Eine Auslagerung darf weder die Ordnungsmäßigkeit dieser Geschäfte und Dienstleistungen noch die Geschäftsorganisation beeinträchtigen. Insbesondere muss ein angemessenes und wirksames Risikomanagement durch das Wertpapierinstitut gewährleistet bleiben. Ein Wertpapierinstitut hat im Rahmen seines Risikomanagements ein Auslagerungsregister zu führen. Darin sind sämtliche wesentlichen und nicht wesentlichen Auslagerungen zu erfassen.
(2) Nähere Bestimmungen zu wesentlichen Auslagerungen enthalten die Artikel 30 bis 32 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565. Hat bei einer wesentlichen Auslagerung ein Auslagerungsunternehmen seinen Sitz in einem Drittstaat, ist vertraglich sicherzustellen, dass das Auslagerungsunternehmen einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten benennt, an den Bekanntgaben und Zustellungen durch die Bundesanstalt bewirkt werden können.
(3) Die Bundesanstalt kann gegenüber einem Wertpapierinstitut und auch unmittelbar gegenüber einem Auslagerungsunternehmen, auf das wesentliche Auslagerungen erfolgt sind, im Einzelfall Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind,
1. um Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu verhindern oder zu unterbinden,
2. um eine Beeinträchtigung der Prüfungsrechte oder Kontrollmöglichkeiten der Bundesanstalt zu beseitigen oder
3. um Missstände bei dem Wertpapierinstitut oder Auslagerungsunternehmen zu verhindern oder zu beseitigen, welche die Sicherheit der dem Wertpapierinstitut anvertrauten Vermögenswerte gefährden können oder die ordnungsgemäße Durchführung der Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen oder Nebengeschäfte beeinträchtigen.
(4) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank ergänzend zu den Vorgaben in den Artikeln 30 bis 32 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 nähere Bestimmungen zu erlassen über
1. das Vorliegen einer Auslagerung,
2. die bei einer Auslagerung zu treffenden Vorkehrungen zur Vermeidung übermäßiger zusätzlicher Risiken,
3. die Grenzen der Auslagerbarkeit,
4. die Einbeziehung der Auslagerungen in das Risikomanagement sowie
5. die Ausgestaltung der Auslagerungsverträge.
Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt mit der Maßgabe übertragen, dass die Rechtsverordnung im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank ergeht. Vor Erlass der Rechtsverordnung sind die Spitzenverbände der Institute zu hören.
§ 41 WpIG – Interne Unternehmensführung
Wertpapierinstitute müssen über solide Regelungen für die Unternehmensführung verfügen, die zweckdienlich, der Art, dem Umfang und der Komplexität der dem Geschäftsmodell innewohnenden Risiken und den Geschäften des Wertpapierinstituts angemessen sind; dazu zählen
1. eine klare Organisationsstruktur mit klar bestimmten, transparenten und widerspruchsfreien Berichtslinien,
2. wirksame Verfahren zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung sowie Überwachung und Kommunikation der Risiken und möglichen Risiken, denen das Wertpapierinstitut ausgesetzt ist oder die das Wertpapierinstitut für andere darstellt,
3. angemessene interne Kontrollmechanismen, einschließlich ordnungsgemäßer Verwaltungs- und Rechnungslegungsverfahren, und
4. ein Vergütungssystem, das mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar und diesem förderlich sowie geschlechtsneutral ausgestaltet ist.
§ 42 WpIG – Länderspezifische Berichterstattung
In Deutschland zugelassene Wertpapierinstitute, die in anderen Vertragsstaaten oder in Drittstaaten über Zweigniederlassungen oder über Tochterunternehmen verfügen, die als Finanzinstitut gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 26 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 einzustufen sind, haben jährlich, aufgeschlüsselt nach Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Drittstaaten, die folgenden Angaben in eine Anlage zum Jahresabschluss im Sinne des § 76 Absatz 1 Satz 2 aufzunehmen, sie nach Maßgabe des § 340k des Handelsgesetzbuchs prüfen zu lassen und offenzulegen:
1. Firma, Art der Tätigkeiten und Sitz sämtlicher Tochterunternehmen und Zweigniederlassungen,
2. den Umsatz,
3. die Anzahl der Lohn- und Gehaltsempfänger in Vollzeitäquivalenten,
4. den Gewinn oder Verlust vor Steuern,
5. die Steuern auf Gewinn oder Verlust und
6. die erhaltenen staatlichen Beihilfen.
§ 43 WpIG – Aufgaben der Geschäftsleiter im Rahmen des Risikomanagements
(1) Die Geschäftsleiter des Wertpapierinstituts tragen die Gesamtverantwortung für die Risikostrategie und die internen Grundsätze des Wertpapierinstituts zum Umgang mit Risiken. Sie genehmigen und überprüfen regelmäßig die Strategien und die internen Richtlinien zur Risikobereitschaft des Wertpapierinstituts sowie zum Umgang, zur Überwachung und zur Minderung von Risiken, denen das Wertpapierinstitut ausgesetzt ist oder ausgesetzt sein könnte, wenn nicht das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan diese Aufgaben gemäß § 44 wahrnimmt. Dabei sind das makroökonomische Umfeld und der Geschäftszyklus des Wertpapierinstituts zu berücksichtigen.
(2) Die Geschäftsleiter des Wertpapierinstituts widmen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß Absatz 1 ausreichend Zeit. Sie haben ausreichend Ressourcen für die Steuerung aller wesentlichen Risiken, denen das Wertpapierinstitut ausgesetzt ist, bereitzustellen.
(3) Wertpapierinstitute stellen sicher, dass die Geschäftsleiter
1. durch ein internes Berichtswesen Kenntnis von allen bedeutenden Risiken des Wertpapierinstituts, von allen internen Richtlinien zum Umgang mit Risiken und von allen Änderungen an diesen Richtlinien erhalten und
2. Zugang zu allen Informationen über die Risiken haben, denen das Wertpapierinstitut ausgesetzt ist oder ausgesetzt sein könnte.
§ 44 WpIG – Funktion des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans im Rahmen des Risikomanagements; Ausschussbildung
(1) Das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan des Wertpapierinstituts überwacht regelmäßig die Risikostrategie und die internen Grundsätze des Wertpapierinstituts zum Umgang mit Risiken. Es überwacht die angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme einschließlich deren Umsetzung in dem Wertpapierinstitut und überprüft sie regelmäßig. Es ist auch für die Ausgestaltung der Vergütungssysteme der Geschäftsleiter zuständig.
(2) Das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan erhält Zugang zu Informationen, die für die Erfüllung seiner Kontroll- und Überwachungsfunktion notwendig sind. Dazu gehört insbesondere der Zugang zu Informationen über die Risiken, denen das Wertpapierinstitut ausgesetzt ist oder ausgesetzt sein könnte.
(3) Das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan eines Wertpapierinstituts hat aus seiner Mitte einen Risikoausschuss und einen Vergütungskontrollausschuss einzurichten. Von der Einrichtung des Risikoausschusses und des Vergütungskontrollausschusses kann bei Wertpapierinstituten abgesehen werden, wenn
1. deren bilanzielle und außerbilanzielle Vermögenswerte, gemessen am Durchschnitt der letzten vier vorangegangenen Geschäftsjahre, nicht mehr als 100 Millionen Euro betragen oder
2. deren bilanzielle und außerbilanzielle Vermögenswerte, gemessen am Durchschnitt der letzten vier vorangegangenen Geschäftsjahre, nicht mehr als 300 Millionen Euro betragen, wenn
a) sie gemessen an der Bilanzsumme nicht zu den drei größten Mittleren Wertpapierinstituten mit Sitz in Deutschland gehören,
b) sie nicht den Anforderungen in Bezug auf die Sanierungs- und Abwicklungsplanung oder gemäß den §§ 19 und 41 des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes den vereinfachten Anforderungen in Bezug auf die Sanierungs- und Abwicklungsplanung unterliegen,
c) der Umfang ihrer bilanziellen und außerbilanziellen Handelsbuchtätigkeit nicht mehr als 150 Millionen Euro beträgt und
d) der Umfang ihrer bilanziellen und außerbilanziellen Geschäfte mit Derivaten nicht mehr als 100 Millionen Euro beträgt.
Abweichend von Satz 2 kann die Bundesanstalt im Einzelfall für ein Wertpapierinstitut die Einrichtung eines Risikoausschusses anordnen, wenn dies aufgrund von Art und Umfang der Tätigkeit des Wertpapierinstituts, seiner internen Organisation oder der Eigenschaften der Gruppe, der das Wertpapierinstitut angehört, geboten ist.
(4) Der Risikoausschuss berät das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan zur gegenwärtigen und zukünftigen Gesamtrisikobereitschaft und -strategie des Wertpapierinstituts. Er unterstützt das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan bei der Überwachung der Umsetzung der Risikostrategie durch die Geschäftsleiter.
(5) Die Mitglieder des Risikoausschusses müssen über ausreichende Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen, um die Risikostrategie und die Risikobereitschaft des Wertpapierinstituts zu erfassen und zu überwachen.
(6) Der Vergütungskontrollausschuss unterstützt das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan bei der Überprüfung der Vergütungssysteme sowie der für das Risiko-, Kapital- und Liquiditätsmanagement geschaffenen Anreize. Er ist zuständig für die Ausarbeitung von Beschlüssen des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans betreffend die Vergütungssysteme, einschließlich solcher, die sich auf das Risiko und das Risikomanagement des betreffenden Wertpapierinstituts auswirken. Bei der Vorbereitung der Beschlüsse trägt der Vergütungskontrollausschuss dem öffentlichen Interesse und den langfristigen Interessen der Gesellschafter, Anleger und sonstigen Interessenträger des Wertpapierinstituts Rechnung.
(7) Der Vergütungskontrollausschuss muss eine ausgewogene Zusammensetzung aus Frauen und Männern aufweisen. Die Mitglieder des Vergütungskontrollausschusses müssen in der Lage sein, die Vergütungssysteme sowie die für das Risiko-, Kapital- und Liquiditätsmanagement geschaffenen Anreize sachkundig und unabhängig zu bewerten. Ist eine Arbeitnehmervertretung im Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan vorgesehen, so umfasst der Vergütungskontrollausschuss einen oder mehrere Vertreter der Arbeitnehmer. Der Vergütungskontrollausschuss kann auf Gruppenebene eingerichtet werden.
§ 45 WpIG – Risikosteuerung
(1) Ein Wertpapierinstitut hat angemessene Strategien, Grundsätze, Verfahren und Systeme zur Risikosteuerung einzurichten. Diese müssen eine Identifizierung, Beurteilung, Steuerung sowie Überwachung und Kommunikation der wesentlichen Risiken und damit verbundener Risikokonzentrationen sowie deren Ursachen und Auswirkungen auf die Eigenmittel des Wertpapierinstituts gewährleisten. Dies betrifft
1. Risiken für die Kunden,
2. Risiken für den Markt,
3. Risiken für das Wertpapierinstitut und
4. Liquiditätsrisiken.
(2) Bei der Beurteilung der Risiken gegenüber Kunden gemäß Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 hat das Wertpapierinstitut die Auswirkungen einer getrennten Verwahrung von Kundengeldern gemäß § 84 Absatz 2 des Wertpapierhandelsgesetzes zu berücksichtigen. Das Wertpapierinstitut hat zu prüfen, ob durch den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung eine Minderung der Risiken gegenüber Kunden möglich ist.
(3) Bei der Beurteilung der Risiken nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 hat das Wertpapierinstitut zu berücksichtigen:
1. wesentliche Veränderungen des Buchwertes von Vermögensgegenständen,
2. Forderungen von Kunden gegenüber vertraglich gebundenen Vermittlern des Wertpapierinstituts,
3. den Zahlungsausfall von Kunden oder Kontrahenten,
4. Positionen in Finanzinstrumenten, Währungen und Rohstoffen und
5. eigene Verpflichtungen gegenüber Altersversorgungssystemen mit im Voraus festgelegten Leistungen.
(4) Wertpapierinstitute tragen im Falle einer Abwicklung oder Einstellung ihrer Tätigkeiten unter Berücksichtigung der Tragfähigkeit und Nachhaltigkeit ihrer Geschäftsmodelle und -strategien den Erfordernissen und dem Mittelbedarf, die mit Blick auf den Zeitplan und die Erhaltung der Eigenmittel und der liquiden Mittel während des gesamten Prozesses des Marktaustritts zu erwarten sind, gebührend Rechnung.
§ 46 WpIG – Vergütungssystem; Verordnungsermächtigung
(1) Ein Wertpapierinstitut hat über Vergütungssysteme für Geschäftsleiter und Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil des Wertpapierinstituts oder der von ihr verwalteten Vermögenswerte auswirkt, zu verfügen, die angemessen, transparent und auf eine nachhaltige Entwicklung des Wertpapierinstituts ausgerichtet sind; dies gilt nicht, soweit die Vergütung durch Tarifvertrag oder in seinem Geltungsbereich durch Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien über die Anwendung der tarifvertraglichen Regelungen oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung vereinbart ist.
(2) Erhält ein Wertpapierinstitut eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln im Sinne von § 2 Absatz 3 Nummer 9 des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes,
1. darf es den Geschäftsleitern keinerlei variable Vergütung gewähren und
2. muss es die variable Vergütung auf einen prozentualen Anteil der Nettoeinkünfte begrenzen, wenn eine variable Vergütung für Mitarbeiter, die nicht Geschäftsleiter sind, weder mit der Erhaltung der erforderlichen Eigenmittel des Wertpapierinstituts noch mit einer frühzeitigen Einstellung der außerordentlichen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln zu vereinbaren ist.
(3) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank nähere Bestimmungen zu erlassen über
1. die Ermittlung der Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil des Wertpapierinstituts oder der von ihr verwalteten Vermögenswerte auswirkt,
2. die Entscheidungsprozesse und Verantwortlichkeiten für die Vergütungssysteme,
3. die Grundsätze für die angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme nach Absatz 1, insbesondere
a) die Unterscheidung zwischen fixer und variabler Vergütung,
b) das Verhältnis der variablen zur fixen Vergütung,
c) die Grundsätze für die Gewährung einer variablen Vergütung, einschließlich positiver und negativer Vergütungsparameter, der Leistungszeiträume, Zurückbehaltungszeiträume und Rückforderungszeiträume einschließlich der Voraussetzungen und Parameter für einen vollständigen Verlust oder eine teilweise Reduzierung oder eine vollständige oder teilweise Rückforderung der variablen Vergütung sowie der Vergütungsinstrumente,
4. die Überwachung der Angemessenheit und Transparenz der Vergütungssysteme durch das Wertpapierinstitut, auch unter Einbeziehung des Vergütungskontrollausschusses, sofern vorhanden, und
5. die Anwendung von Bestimmungen nach den Nummern 1 bis 4 auf konsolidierter Basis in den Fällen, in denen dieser Abschnitt gilt und aufsichtliche Konsolidierung nach Artikel 7 der Verordnung (EU) 2019/2033 angewandt wird.
Die Regelungen haben sich insbesondere an Größe und Vergütungsstruktur des Wertpapierinstituts sowie Art, Umfang, Komplexität, Risikogehalt und Internationalität der Geschäftsaktivitäten zu orientieren. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auf die Bundesanstalt mit der Maßgabe übertragen, dass die Rechtsverordnung im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank ergeht. Vor Erlass der Rechtsverordnung sind die Spitzenverbände der Wertpapierinstitute zu hören.