Maßnahmen bei Gefahr

Gesetz zur Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten (Wertpapierinstitutsgesetz – WpIG)

Kapitel 8 Maßnahmen bei Gefahr

§ 79 WpIG – Maßnahmen bei Gefahr

(1) Besteht Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Wertpapierinstituts gegenüber seinen Kunden, insbesondere für die Sicherheit der dem Wertpapierinstitut anvertrauten Vermögenswerte, oder besteht der begründete Verdacht, dass eine wirksame Aufsicht über das Wertpapierinstitut nicht möglich ist, kann die Bundesanstalt zur Abwendung dieser Gefahr einstweilige Maßnahmen treffen. Sie kann insbesondere

1. Anweisungen für die Geschäftsleiter des Wertpapierinstituts erlassen,

2. die Annahme von Geldern oder Wertpapieren von Kunden und die Gewährung von Wertpapierkrediten verbieten,

3. Inhabern und Geschäftsleitern die Ausübung ihrer Tätigkeit untersagen oder beschränken,

4. vorübergehend ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot an das Wertpapierinstitut erlassen,

5. die Schließung des Wertpapierinstituts für den Verkehr mit der Kundschaft anordnen und

6. die Entgegennahme von Zahlungen, die nicht zur Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Wertpapierinstitut bestimmt sind, verbieten, es sei denn, die zuständige Entschädigungseinrichtung oder sonstige Sicherungseinrichtung stellt die Befriedigung der Berechtigten in vollem Umfang sicher.

(2) Die Bundesanstalt kann unter den Voraussetzungen von Absatz 1 Satz 1 Zahlungen an konzernangehörige Unternehmen untersagen oder beschränken, wenn diese Geschäfte für das Wertpapierinstitut nachteilig sind. Sie kann ferner bestimmen, dass Zahlungen nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind.

(3) Die Bundesanstalt unterrichtet über die von ihr nach den Absätzen 1 und 2 beabsichtigten Maßnahmen unverzüglich die betroffenen zuständigen Behörden in den anderen Vertragsstaaten sowie die Deutsche Bundesbank.

(4) Beschlüsse über die Gewinnausschüttung sind insoweit nichtig, als sie einer Anordnung nach Absatz 1 widersprechen.

(5) Bei Wertpapierinstituten, die in anderer Rechtsform als der eines Einzelkaufmanns betrieben werden, sind Geschäftsleiter, denen die Ausübung ihrer Tätigkeit untersagt worden ist, für die Dauer der Untersagung von der Geschäftsführung und Vertretung des Wertpapierinstituts ausgeschlossen. Für die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag oder anderen Bestimmungen über die Tätigkeit des Geschäftsleiters gelten die allgemeinen Vorschriften. Rechte, die einem Geschäftsleiter als Gesellschafter oder in anderer Weise eine Mitwirkung an Entscheidungen über Geschäftsführungsmaßnahmen bei dem Wertpapierinstitut ermöglichen, können für die Dauer der Untersagung nicht ausgeübt werden.

(6) Die zuständige Entschädigungseinrichtung oder sonstige Sicherungseinrichtung kann ihre Verpflichtungserklärung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6 davon abhängig machen, dass eingehende Zahlungen, soweit sie nicht zur Erfüllung von Verbindlichkeiten nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 gegenüber dem Wertpapierinstitut bestimmt sind, von dem im Zeitpunkt des Erlasses des Veräußerungs- und Zahlungsverbots nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 vorhandenen Vermögen des Wertpapierinstituts zugunsten der Einrichtung getrennt gehalten und verwaltet werden.

§ 80 WpIG – Sonderbeauftragter

(1) Zur Überwachung der Einhaltung der Anordnungen nach § 79 Absatz 1 und 2 kann die Bundesanstalt einen Sonderbeauftragten bestellen. Dieser ist im Rahmen seiner Aufgabe berechtigt,

1. von den Mitgliedern der Organe und den Beschäftigten des Wertpapierinstituts Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen zu verlangen,

2. an allen Sitzungen und Versammlungen der Organe und sonstigen Gremien des Wertpapierinstituts teilzunehmen,

3. die Geschäftsräume des Wertpapierinstituts zu betreten,

4. Einsicht in die Geschäftspapiere und Bücher des Wertpapierinstituts zu nehmen und

5. Nachforschungen anzustellen.

Der Sonderbeauftragte hat begangene Verstöße gegen eine Anordnung nach § 79 Absatz 1 und 2 unverzüglich der Bundesanstalt mitzuteilen.

(2) Die durch die Bestellung des Sonderbeauftragten entstehenden Kosten einschließlich der diesem zu gewährenden angemessenen Auslagen und der Vergütung fallen dem Wertpapierinstitut zur Last. Die Höhe der Vergütung setzt die Bundesanstalt fest. Die Bundesanstalt schießt die Auslagen und die Vergütung auf Antrag des Sonderbeauftragten vor.

(3) Der Sonderbeauftragte haftet im Rahmen seiner Aufgabe nur für Vorsatz.

§ 81 WpIG – Abwicklung laufender Geschäfte; Ausnahmen; Verbot der Zwangsvollstreckung

(1) Das Wertpapierinstitut darf nach Erlass des Veräußerungs- und Zahlungsverbots nach § 79 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 die im Zeitpunkt des Erlasses laufenden Geschäfte abwickeln und neue Geschäfte eingehen, soweit diese zur Abwicklung erforderlich sind, wenn und soweit die zuständige Entschädigungseinrichtung oder sonstige Sicherungseinrichtung die zur Durchführung erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt oder sich verpflichtet, dem Wertpapierinstitut die Vermögensminderungen zu erstatten, die aus diesen Geschäften insgesamt entstehen, soweit dies zur vollen Befriedigung sämtlicher Ansprüche aus offenen Wertpapierverbindlichkeiten erforderlich ist.

(2) Die Bundesanstalt kann darüber hinaus Ausnahmen vom Veräußerungs- und Zahlungsverbot nach § 79 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 zulassen, soweit dies für die Durchführung der Geschäfte oder die Verwaltung des Wertpapierinstituts sachgerecht ist. Dabei kann sie insbesondere die Erstattung von Zahlungen anordnen, die entgegen einer Anordnung nach § 79 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 entgegengenommen worden sind oder bei dem Wertpapierinstitut eingegangen sind. Sie kann eine Betragsgrenze festsetzen, bis zu der ein Sonderbeauftragter Ausnahmen vom Veräußerungs- und Zahlungsverbot zulassen kann.

(3) Solange Maßnahmen nach § 79 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 bis 6 andauern, sind Zwangsvollstreckung, Arrest und einstweilige Verfügung in das Vermögen des Wertpapierinstituts nicht zulässig. Die Vorschriften der Insolvenzordnung zum Schutz von Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und Abrechnungssystemen einschließlich interoperabler Systeme sowie von dinglichen Sicherheiten der Zentralbanken und von Finanzsicherheiten sind bei Anordnung einer Maßnahme nach § 79 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 bis 6 entsprechend anzuwenden. Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 der Insolvenzordnung berührt nicht die Wirksamkeit der Erstattung einer Zahlung, die entgegen einer Anordnung nach § 79 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 über ein System oder über eine zwischengeschaltete Stelle entgegengenommen worden ist oder eingegangen ist oder bei dem Wertpapierinstitut eingegangen ist und deren Erstattung die Bundesanstalt nach Absatz 2 Satz 2 angeordnet hat.